Neben dem 175. Geburtstag von Wilhelm Maybach gibt es in diesem Jahr den Geburtstag eines weiteren Konstrukteurs zu feiern. Hon. Prof. Dipl.-Ing. Hermann Gaus wurde 1936 in Leutkirch im Allgäu geboren und kann über die Jahre auf eine beachtliche Karriere zurückblicken. Ein frühes Interesse an der Technik motiviert ihn an der Technischen Hochschule Stuttgart Maschinenbau zu studieren – er schließt dieses Studium nach fünf Jahren 1961 mit einer Diplomarbeit ab. Nach einer Zwischenstation als wissenschaftlicher Assistent beginnt seine Laufbahn in der Daimler-Benz AG im Jahre 1962, wo er an der Entwicklung des Automatik-Getriebes für den Mercedes Benz 600 beteiligt ist. Die Entwicklung von automatischen Getrieben bleibt sein Bereich bis in die frühen 80er Jahre. Das Vorantreiben der Einbindung elektronischer Systeme wird von ihm fortlaufend forciert und zeigt sich in seiner Rolle als Fachbereichsleiter der Konstruktion Personenwagen, zuständig für die Bereiche Fahrwerk, Antriebsstrang, Motorbetriebssysteme und Elektrik /Elektronik (E/E) ab 1982. Zehn Jahre später ist er als Dozent an der Universität Stuttgart tätig. Im Juli 1994 übernimmt Gaus die Entwicklungsverantwortung für E‑Klasse und S‑Klasse sowie SL und SLK – in dieser Rolle bringt er unter anderem das erste Navigationssystem in der Baureihe 140 als Sonderausstattung zur Serienreife.
1998 wird er zum Honorarprofessor der Universität Stuttgart ernannt. Nach seiner verdienstreichen Laufbahn ist er damals eigentlich bereits auf dem Weg in den Ruhestand, doch ein letztes Projekt ruft. Im Herbst 1997 war eine Designstudie auf der Tokyo Motor Show präsentiert worden, der Maybach – bei der damaligen DaimlerChrysler AG entscheidet man sich kurz vor der Jahrtausendwende für die Serienfertigung. Für die technische Umsetzung dieses Fahrzeuges hatte Prof. Jürgen Hubbert, Vorstandsmitglied der damaligen DaimlerChrysler AG, Gaus im Blick, da dieser sich als gleichermaßen kompetent wie unermüdlich in seinen Entwicklungen gezeigt hatte. Zudem hatte er bereits diverse Projekte, auf welcher der Maybach basieren sollte, betreut – unter anderem die S‑Klasse W140 und die Elektronik der Mercedes-Benz Baureihe 220 (S‑Klasse). Der Ruhestand wurde verschoben und das Projekt nahm seinen Lauf. Testfahrten auf der ganzen Welt folgten, um das neue Fahrzeug unter allen erdenklichen Bedingungen zu prüfen. Im texanischen Laredo war der Wagen höchsten Temperaturen ausgesetzt, während es über holprige Pisten ging und mit Testinstrumenten die Beanspruchung und Dauerhaltbarkeit des Fahrzeugs bewertet wurde. Arjeplog definierte die andere Seite der Medaille der Testfahrten. Die Minustemperaturen des schwedischen Winters auf einem dortigen Eissee stellten auch das elektrohydraulische Bremssystem der schweren Fahrzeuge auf die Probe. Zusammen addiert wären die Fahrten der Testfahrzeuge unter realen Bedingungen und auf Prüfständen auf 2,5 Millionen km gekommen. Auch an Wochenenden zuhause in Süddeutschland ließ Gaus nicht locker. Bei seinen Fahrten notierte er alle Auffälligkeiten, insbesondere der Elektronik, und gab diese zum Wochenstart an seine Mitarbeiter weiter. Immer im Blick: Sind die Entwicklungs- und Testergebnis auch gut genug um die Ansprüchen künftiger Kunden an einen Maybach auch zu erfüllen. Am 2. Juli 2002, also nur knapp drei Jahre nach Beginn der Arbeiten, wird das erste Exemplar des Maybach 62 aus der Maybach-Manufaktur in Sindelfingen in New York der Öffentlichkeit präsentiert und am 14. Oktober 2002 wird in Sindelfingen das erste Serienfahrzeug an Frau Irmgard Schmid-Maybach ausgeliefert – im selben Jahr wird Gaus mit der Benz-Daimler-Maybach Medaille des Vereins Deutscher Ingenieure geehrt.
Irmgard Schmid-Maybach hat einmal erklärt, dass ein Aspekt, der ihren Großvater Wilhelm und Vater Karl Maybach ausgezeichnet hat, deren Gewissenhaftigkeit und Unermüdlichkeit gewesen ist: War eine Aufgabe abgeschlossen, so wurde bereits die Nächste in Angriff genommen. Ein Merkmal von erfolgreichen Konstrukteuren, das, wie seine Biographie aufzeigt, sicher auch Prof. Gaus auszeichnet. 2007 wird er Vorstandsmitglied der Wilhelm und Karl Maybach Stiftung mit Sitz in Stuttgart. Nach vierzehn Jahren legt er dieses Amt nun ab – die Familie Schmid-Maybach und der Vorstand danken ihm für die sehr wertvolle Arbeit die er auch in den vergangenen Jahren dem Namen Maybach hat zu Teil werden lassen. In diesem Sinnen danken wir, die Maybach Stiftung sowie die Maybach Foundation und die Familie Schmid-Maybach für die außerordentlichen Leistungen von Prof. Gaus!
Fragen
Wilhelm Maybach, dessen 175. Geburtstag wir dieses Jahr feiern, ist der Namensgeber der Maybach und Mercedes-Maybach Automobile der 2000er Jahre – in wie weit war er und sein Schaffen eine Inspiration für Ihre Arbeit am Maybach 62 und 57?
Wilhelm Maybach war ein genialer Konstrukteur und Erfinder und wurde zu Recht damals „König der Konstrukteure“ genannt. Er hat den ersten Mercedes geschaffen. Wenn etwa 100 Jahre später ein Fahrzeug der DaimlerChrysler AG (heute Daimler AG) zur Erinnerung an Wilhelm Maybach den Namen Maybach tragen soll, war allen an diesem Projekt beteiligten Entwicklern klar, dass dieses Fahrzeug in allen seinen Eigenschaften die Nummer 1 der Limousinen darstellen musste, um dem Anspruch, der mit dem Namen Maybach verbunden ist , gerecht zu werden.
Die Automobile der Maybach-Motorenbau-GmbH, welche unter der Federführung von Karl Maybach entwickelt worden waren, sind bis heute legendär – gab es Eigenschaften dieser Fahrzeuge, die Orientierungspunkte für Ihre Arbeit am Maybach 62 und 57 waren?
Maybach Fahrzeuge der 20er und 30er Jahre zeichneten sich durch technische Innovation, höchste Qualität, luxuriöse Ausstattung und Individualität aus. Diese Eigenschaften wurden auch den neuen Maybach Fahrzeugen der Baureihe 240 mitgegeben. Die Realisierung dieser Eigenschaften ist jedoch unterschiedlich. Es liegen 70 – 80 Jahre technische Weiterentwicklung dazwischen. Ein gemeinsames Merkmal ist jedoch die Liebe zum Detail und die Perfektion in der Ausführung.
Wenn man mit Menschen spricht, welche die Zeit der Maybach-Motorenbau-GmbH noch selbst erlebt haben, so ist oft die Rede von der ‚Maybach’schen Wertekultur‘. Ein Qualitätsdenken, für das jede Mitarbeiter*in wichtig und mitverantwortlich ist, kann man als einen der Kernaspekte davon benennen — Welchen Einfluss hatte bzw. hat diese ‚Maybach’sche Wertekultur‘ auf Ihre Schaffenskraft und Ihr Leben?
Die Daimler-Benz AG (später Daimler Chrysler AG bzw. Daimler AG) und die Maybach- Motorenbau-GmbH waren zwei selbstständige Unternehmen, in denen sich eigenständige Werte-Kulturen entwickelt haben. Aus meiner Sicht haben diese Werte-Kulturen aber im Grunde gemeinsame Merkmale. Für beide gilt: Weltspitze in techn. Innovation und Qualität. Ich habe über 40 Jahre in der „Daimler-Welt“ gearbeitet und die Daimler Werte-Kultur gelebt. Für meine Arbeit bei Daimler galt immer: „Das Beste oder Nichts“.
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